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Finale der Fußball Nations LeagueTrauriger Abend in München

Bei einem Sturz von der Tribüne verletzt sich ein Fan und stirbt. Dennoch gibt es nach Portugals Sieg gegen Spanien das übliche Gelaber um die Stars.

Spurensicherung: Polizei und Rettungskräfte nach dem Spiel auf der Tribüne in München Foto: dpa

München taz | Es war das traurige Ende eines langen Fußballabends in München. Kurz nach Mitternacht stand fest, dass der Zuschauer, der während der Verlängerung des Endspiels in der Nations League der Europäischen Fußballunion zwischen Portugal und Spanien vom Mittelrang der Arena auf die Treppe im Unterrang gestürzt war, seinen schweren Verletzungen noch am Unfallort erlegen war.

Es war der spanische Trainer Luis de la Fuente, der am Montag kurz nach Mitternacht den Pressevertretern die traurige Botschaft übermittelte. Die nach den Spielen übliche Pressekonferenz begann er mit den Worten: „Bevor wir mit den Fragen anfangen, möchte ich mein Beileid zum Ausdruck bringen, denn heute ist auf den Rängen ein Fan gestorben. Mein Mitgefühl gilt der Familie.“

Viele Journalisten nahmen diese Nachricht bedrückt zur Kenntnis. Sie waren Augenzeugen des folgenschweren Sturzes. Denn das Unglück ereignete sich in ihrer unmittelbaren Nähe im Pressebereich auf der Haupttribüne.

Befremdliche Jubelszenen

Wer mitbekommen hatte, wie der Unfallort von Rettungskräften und der Polizei abgeschirmt worden ist, hatte keine Augen für die Jubelszenen der portugiesischen Mannschaft unten auf dem Spielfeld. Als nach dem Elfmeterschießen feststand, dass die Portugiesen zum zweiten Mal in der jungen Geschichte des Wettbewerbs den Siegerpokal würden mit nach Hause nehmen können, wussten sie noch nicht, was auf der Haupttribüne gerade geschehen war.

Auch die meisten Fans im Stadion dürften frühestens auf dem Heimweg erfahren haben, dass an diesem Abend ein Zuschauer im Stadion sein Leben verloren hatte. Als die Uefa offiziell mitgeteilt hat, dass es „einen medizinischen Vorfall in der Münchner Arena“ gegeben habe, war kaum mehr ein Zuschauer im Stadion. Wie es zu dem Sturz gekommen ist, dazu konnte die Polizei am Abend selbst noch nichts sagen.

Da lief das Spiel nach dem Spiel längst wieder so, wie es immer läuft, wenn die Uefa zu einem großen Finale lädt. Die Jagd nach mehr oder weniger interessanten Statements von Spielern und Trainern hatte gleich nach der Auftaktbemerkung von de la Fuente begonnen. 2:2 hatte es nach der regulären Spielzeit und auch nach der Verlängerung, in deren erster Hälfte das Unglück auf den Rängen geschah, gestanden.

Im Elfmeterschießen kam dann dem spät eingewechselten Spanier Álvaro Morata die Rolle als Pechvogel zu. Seinen Schuss konnte Portugals Keeper Diogo Costa halten. Vorwürfe machte ihm de la Fuente nicht. Er sei es gewesen, der ihn als Schützen nominiert habe, also trage auch er als Trainer die Verantwortung.

Auf dem Weg zum WM-Titel

Dann war ihm noch wichtig festzustellen, dass ihm die Portugiesen nach dem Spiel zu verstehen gaben, dass Spanien die beste Mannschaft gewesen sei, auf die Portugal in der Nations League getroffen sei. Sein Team, das im Vorjahr bei der EM so dominiert hatte, möchte er nun zum WM-Titel führen. Dann gab es natürlich noch Fragen zu Lamine Yamal, dem 17-jährigen Superbubi vom FC Barcelona, der beim wilden 5:4-Erfolg Spaniens im Halbfinale gegen Frankreich noch so geglänzt hatte, diesmal aber keine großen Akzente setzen konnte.

Ob der Junge trotzdem den Ballon d’Or, die zu einer Art Fußballoscar für den besten Hauptdarsteller im Fußball hochgerockte Auszeichnung einer Sportpostille für den besten Spieler der Welt, gewinnen könne, wollte einer wissen. Auch wenn de la Fuente diese Frage am Ende eines traurigen Fußballabends besonders blöd vorgekommen sein mag, antwortete er brav. Yamal sei ja noch jung. Nun ja.

An Abenden wie diesen, an denen nur allzu offensichtlich ist, dass es weiß Gott wichtigere Dinge gibt, als über das Zustandekommen eines 2:2 nach Verlängerung zu sprechen, mag das Interesse, das sich immer noch auf den alternden Superstar Cristiano Ronaldo fokussiert, besonders dämlich erscheinen.

Etliche Fans schienen nur deshalb gekommen zu sein, um ihr Handy zu zücken, wenn sich der nun 40 Jahre alte Altmeister dem Ort an der Platzbegrenzung näherte, hinter dem sich ihre Sitze befanden. Die Freudentränen Ronaldos, der tatsächlich das 2:2 erzielt hatte, obwohl er zuvor mehrfach unter Beweis gestellt hatte, dass er auf hohem Niveau eigentlich nicht mehr mithalten kann, sie waren das beliebteste Motiv der Fotografen nach dem Endspiel.

Und natürlich musste auch Nuno Mendes, der Gewinner der Auszeichnung als Spieler des Spiels, die von einem chinesischen Zahlungsdienstleister gestiftet wird, etwas zu Ronaldo sagen. „Toll, dass er einen weiteren Titel zu seiner Sammlung hinzufügen konnte.“ Und dann war auch noch der Senf des Verteidigers, der nicht nur Lamine Yamal aus dem Spiel genommen, sondern auch noch den zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich erzielt hat, zu diesem Ballon d’Or gefragt. Den solle seiner Meinung nach Ousmane Dembele, sein Kollege bei Paris Saint-Germain, gewinnen. Da habe der eine tolle Saison gespielt. Gewiss, aber mit dem Spiel hatte das so gar nichts zu tun.

Und mit dem Unglück auf der Tribüne schon gar nicht. Das hat Mendes durchaus betroffen gemacht. „Ich möchte der Familie des gestorbenen Fans mein Beileid ausdrücken“, sagte Mendes. „Das wirft einen Schatten auf unseren Sieg.“

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1 Kommentar

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  • Nicht das erste Mal, dass während eines Fußballspiels ein Zuschauer stirbt. Bei Tausenden an einem Platz gar nicht mal soo unwahrscheinlich.